Plan oder nicht?

Chinesischer Abakus
Chinesischer Abakus

 

Wenige Grundsätze treiben mein Handeln an. Einer der wichtigsten davon: nicht planen, sondern handeln.

Fast könnte ich so weit gehen und sagen: alles Geplante ist mir verhasst. Es entbehrt aller Spontaneität und bringt die Freiheit, das Gefühl von Befreiung im Handeln, zum Erstarren.

Wer plant, so liesse sich dieser Grundsatz weiter ausführen, ist berechenbar.

Mal abgesehen davon, dass ich nicht rechnen kann: Wer rechnen kann, ist verletzlich.

Wer plant, sein Vorsorgekonto befüllt, eine Lebensversicherung betreibt, ein Haus baut, wenn möglich gar mit den für die geplante Familie nötigen und bereits fertig eingerichteten Kinderzimmern, ist wie eine wandelnde Wunde, die nur darauf wartet, geschlagen zu werden.

Natürlich lebe ich nicht so planlos ins Leben hinaus, wie das jetzt den Anschein machen könnte. Und doch will ich nicht der Meister meines Geschicks sein, mein Glück beherrschen, steuern. Ich bin nicht jemand, der sein Leben in seiner eigenen Hand glaubt oder (noch vermessener) weiss. Der einzige Ruf, den ich mir durchaus immer wieder zutraue ist: „I am the Captain of my Soul“.

Aber damit hat es sich auch schon. Denn das meint ja letztlich: ich gebe mich nichts oder niemand in die Hände, dass es oder er/sie mich steuerte; ausser Gott.

Was aber fange ich nur an mit diesen im Neuen Testament immer wieder eingestreuten Hinweisen auf einen „Gottesplan“?

Gewiss gebe ich zu, dass Gott alle Fäden in den Händen haben sollte, vielleicht gar muss, auch in meinem Leben, aber weiss er schon alles im Voraus? Hat er es letztlich sogar schon bis ins Detail ausgedacht und vorausbestimmt und -geplant?

Wenn ich lese:

nach Vorwissen Gottes (1 Petr 1,2; Münchener Neues Testament)

oder

von der Verwaltung der Gnade Gottes (Eph 3,2; Münchener Neues Testament)

und in der Übersetzung an den gleichen Stellen vom

Plan (Eph 3,2 und 1 Petr 1,2; NGÜ)

höre, schaudert es mich schon.

Traue ich denn Gott nicht zu, bzw. will ich ihm denn nicht zutrauen, dass er die Geschicke, mit dem Auf und Ab der Waage, wie sie in der Ilias so schön in der Hand des Zeus liegt, um das Schicksal der kämpfenden Trojaner und Griechen zu entscheiden, lenkt und bestimmt?

Nein, das traue ich ihm durchaus zu. Dieses Zutrauen habe ich.

Aber ich glaube nicht an einen Rechnenden Gott, genauso wenig wie ich an einen Rechtenden Gott oder noch schlimmer an einen Rächenden Gott glaube (und von ihm weiss). Oder umgekehrt an einen (ganz und gar) barmherzigen Gott, so gern ich das möchte. (Aber das steht auf einem andern Blatt, in einem andern Blog.)

In diesen Stellen sehe ich mehr ein Hinweis darauf, dass Gott in gewisser Weise nachdenkt, vorausdenkt, vermutet.

Philologisch handelt es sich dabei ja um einen Ratschluss – daher kommt dieser Gedanke des Plans, wenn wir auf den WiBiLex-Artikel von Wolfgang Werner zurückgreifen:

JHWH, der Gott Israels, ist zugleich der Herr der Welt und ihrer Geschichte. Diese in vielen biblischen Textbereichen begegnende Grundüberzeugung findet ihre Ausgestaltung unter anderem in der Vorstellung eines göttlichen Ratschlusses, der bei Gott konzipiert worden ist und sich in der Geschichte der Welt und der in ihr lebenden Menschen erfüllt. Er leitet und bestimmt das Leben des Einzelnen und der Menschengemeinschaft. In vielen prophetischen Belegen gilt der Ratschluss Gottes als ein Instrument göttlicher Weltpolitik, das die Absichten Gottes in der Völkerwelt durchsetzen will.

Als Mensch kann ich ja verstehen, dass Gott eine Art Übersicht oder Draufsicht auf alles hat oder haben kann / könnte.

Und als jemand, der Armut aus persönlicher und wiederholter Erfahrung kennt, verstehe ich auch, dass der Arme, Verlassene, Versklavte sich so einen Gott denken muss; nicht anders kann, als sich so einen Gott zu erdenken: der in langen Zeiten denkt, nicht in der kurzen überschaubaren eines Menschenlebens oder einer Menschen-Generation, dem die Taten und Untaten des Menschen (von Herrschern und Beherrschten) auf eine gewisse Weise lächerlich und doch vorhergesehen sind, weil er das Ende, dem sie entgegenstreben, ob sie wollen oder nicht, absehen und einordnen kann.

Einen Gott kurzum, der zwar nicht aktiv und jetzt  ins Zeitgeschehen eingreift, sehr wohl aber einen fernen Horizont erblicken kann von da aus, wo er schwebt, da „wir“ (und mit uns auch „er“) frei sein werden von „alledem“…

Ein aussergewöhnlich geduldiger Befreiergott.

Ein Gott der Wartesäle und der Lager.

… Oh, das ist er sicher. Aber nicht nur. (Und – dogmatisch gesprochen – er ist es nur in Analogie…)

Und so sehr ich letztlich das Gefühl habe, ein solcher Teilgott könnte möglich sein, in einem weitaus grösseren, umfassenderen Gott (und Gottesbild), so sehr fühle ich auch, dass das Planen damit nichts mehr zu tun hat. Und vielleicht nicht mal das Ratschliessen oder Nachsinnen.

Ein solcher Gott, übernimmt man diese Denkstruktur, wie sie Wolfgang Werner sicherlich exegetisch korrekt formuliert, ein solcher Gott schätzte unser Tun und Handeln vielleicht sogar mit der ihm eigenen Liebe, aber er wäre doch all dem (und mir) fremd.

Es ist daran sicher tröstlich, dass er insofern nicht plant, als er nicht eingreift, sondern auf eine (göttliche?) Art „geschehen“ lässt.

Trotz allem also handelte sich dabei um eine Art Versicherergott; um einen Gott für Versicherer und Versicherungsbedürftige.

Er hält in der einen Hand die Police, und mit der anderen Hand streichelt er sein Schosshündchen – um das es letztlich geht.

Und um sein Mund bilden sich tiefe Falten der Langeweile.

(Bildquelle: Anita Eller (http://bilder.tibs.at/node/26290), Lizenz: CC BY-NC-SA 3.0 AT))