Tun, Ergehen und Prüfen

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“Doch als ich meine Schuld verschwieg, / begannen meine Glieder zu schmerzen. / Da stöhnte ich den ganzen Tag. / Tag und Nacht spürte ich, / wie deine Hand mich niederdrückte.” (Ps 32, 3-4)

“Gewiss werden Wir euch ein wenig prüfen / mit Angst, Hunger, Verlust von Vermögen, / Menschenleben und Früchten.” (Sure 2, 155)

“Und wenn mich die Angst überkommt wegen des “Es gibt keine Sicherheit”, ist für mich das “Gebt die Hoffnung nicht auf” eine Lehre.” (aus Farid ud-Din Attars “Konferenz der Vögel”)

„Gott straft sofort“, heisst es. Das ist die einfache Umschreibung eines Denkens, das im Ersten Testament verwurzelt ist. Das „Volk Gottes“, die Israeliten und später die Juden, stehen im Bund mit Gott. Da sie diesen Bund aus menschlicher Schwäche immer wieder brechen, führen sie ihr Leiden auf den Zorn Gottes zurück. So irren sie 40 Jahre in der Wüste, damit niemand ins „gelobte Land“ gelangt, der das „Goldene Kalb“ angebetet hatte. Als kleines Volk zwischen Grossmächten wie Ägypten und Assyrern oder Persern interpretieren die Israeliten diese Reiche als „Werkzeuge Gottes“: Bestrafung durch Unterwerfung.

In der christlichen Theologie nennt sich dies „Tun-Ergehen-Zusammenhang“: Was wir tun, hat Auswirkungen darauf, wie es uns (er-) geht. Diese Hypothese lässt sich am eigenen Leben immer wieder feststellen, und sie braucht zur Bekräftigung oder Anwendung auch keinen Gott.

So arbeite ich selbst immer wieder in kleinen Teams, in der Kommunikation von grosser Bedeutung ist. Obwohl ich sehr schwatzhaft sein kann, bin ich meistens ein „stiller Schaffer“. Ich kommuniziere eher schlecht oder gar nicht. (Ich telefoniere zum Beispiel sehr ungern.) Es ist mir daher schon oft passiert, dass ich ein Projekt durch fehlerhafte oder unterlassene Mitteilung(en) gefährdet habe. Als logische Konsequenz muss ich daher auf mich nehmen, dass die Verärgerung meiner Team-Kollegen sich auf unsere Beziehung, ja vielleicht auch auf die Beziehungsfähigkeit im Team selbst auswirkt.

Ich schliesse Gott bewusst aus dieser Gleichung „Tun x Gott = Ergehen“ aus. Für mich als moderner Mensch wirkt Gott nicht direkt in unser Leben hinein. Gott „steuert“ oder „lenkt“ uns nicht.

Gott ist eine indirekte Präsenz oder Wirkkraft: Beziehen wir uns auf Gott, wirkt er über unsere Haltung auf unser Wohl-Leben und -Ergehen ein.

Der Fall Hiob

Lesen wir die Bibel, begegnen uns jedoch immer wieder Figuren, denen es ganz und gar unverdient sehr schlimm ergeht. Sowohl ihr Tun und Lassen als auch ihre Haltung gegenüber Mensch und Gott sind fast vorbildlich. Dennoch geschieht ihnen Schlimmes, Schlimmstes.

Denken wir nur an Hiob. Diesem stirbt nicht nur sein Vieh unter den Händen weg, er verliert auch seine Familie und seine Gesundheit.

Ich kenne solche Menschen. Ich habe keine Zweifel, dass auch Sie solche Menschen kennen. Knall auf Fall verlieren sie Wertvollstes, Teuerstes: den Job, die Frau oder ein Kind. Nur sehr selten konnte ich bisher beobachten, dass sie „aus eigenem Verschulden“ in eine solche Lage geraten sind.

(Und ich rede hier bewusst nicht vom Besitz oder vom Eigentum. Das ist nichts, woran zu hängen es wert ist.)

Niemand heute würde zu oder über solche Menschen sagen, Gott hat sie bestraft. Sofort wäre zurück zu fragen: Wofür denn?

Die Prüfung (im und durch das Leben)

Und doch gibt es den Gedanken der Prüfung. So sagt jemand zu mir: Das ist jetzt einfach eine Prüfung, da musst du dich durchbeissen. (Am schönsten drückt das der Spruch der Läuferin Anita Weyermann aus: „Gring ache u seckle“.)

Ein Test, eine Prüfung, in der ich mich beweisen muss. Je nachdem, wie ich mich in dieser Situation verhalte, wie ich in dieser Lage handle, werde ich die Probe „bestehen“ und – gereift aus ihr herausgehen. Oder scheitern.

Ich habe das immer als Hohn verstanden. Und zwar ganz unabhängig davon, ob die Prüfung „von oben“ kommt oder nicht, von Gott oder vom Teufel.

Gewiss gibt es Menschen, die ihre Lage selbst verschuldet haben – schlechte Entscheidungen gefällt, gegen ihr besseres Wissen gehandelt haben. Doch wird gerade an ihrem „Beispiel“ noch deutlicher, wie ungerecht der Gedanke einer Prüfung ist: Wenn die- oder derjenige in dieser misslichen Situation ist, ist es geradezu unmenschlich, von ihr oder ihm zu verlangen, jetzt gerade müsse er oder sie sich beweisen und sich quasi „am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen“.

Und dabei denke ich noch nicht einmal daran, dass schlechte Entscheidungen einerseits durchaus aus Unwissen oder falschen Informationen gefällt werden können. Dass schlechte Entscheidungen andererseits durchaus auch mit der gesellschaftlichen Situation des Betroffenen zu tun haben können, sich aus derselben vielleicht sogar „erklären“ lassen.

Die andern aber, die „Unschuldigen“ – wie soll man zu ihnen oder über sie reden?

Ich weiss es nicht. Es hängt von der Beziehung ab, die ich mit dieser Person habe. Niemals jedoch würde ich ihnen mit der „Prüfung“ kommen.

Der Gedanke an die Bewährung in der Prüfungs-Situation, heute ganz weltlich gedacht und geäussert, ist heute in meinen Augen aktueller denn je: Was zählt, ist die Leistung.

Die Versuchung

Gehen wir einen Schritt weiter, ins Zweite Testament. Dort schliesst Jesus in der heutigen Lesart der Bibel (Einheitsübersetzung 2017) das Vaterunser mit der Bitte:

„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen!“ (Mt 6, 13)

Der Papst höchstpersönlich hat diese Version in Frage gestellt. Seine Deutung des Jesus-Worts geht von einer barmherzigen Vaterfigur aus.[1] Für Franziskus ist es der Teufel, der den Menschen in Versuchung führt.

Das ist gut katholisch gedacht. Lässt sich nicht auch Gott im Buch Hiob auf eine Wette mit dem Teufel ein? Gott geht diese Wette ein, weil er sich Hiobs Treue sicher ist.

Ich könnte hier einen Abgrund öffnen. Noch weiter denken: Gibt es den Teufel, und wenn ja, gibt es auch die Hölle? Und wie wäre diese beschaffen?

Das aber ist eine andere Geschichte. Die auch mit Strafe und Gericht zu tun hat, sicher.

Mich beschäftigt hier der Gedanke an eine von Gott gewollte Prüfung. Und vielleicht ganz grundsätzlich der Gedanke des Prüfens. Der für einen Christen in meinen Augen immer eng mit dem Gedanken der Versuchung und des Widerstands dagegen verbunden ist.

Das Scheitern

Ich selbst bin in meinem Leben viele Male gescheitert, vor einem Scherbenhaufen gestanden. Ich weiss auch, dies wird noch einige Male passieren – passieren müssen.

Immer jedoch hat mir dieser Gedanke widerstrebt, diese missliche oder gar schreckliche persönliche Lage als „Prüfung aufs Exempel“ wahr- und anzunehmen. Nie habe ich mich dabei gefühlt, als müsste ich mich in irgendeiner Weise „beweisen“. Ich wollte nur – gut leben oder eben: wieder gut leben.

Gewiss, herauskommen aus dem Loch, in das man versunken ist oder versinkt. Oder aber – gut leben in der schlechten Lage.

In der schlechten Lage eine Haltung bewahren, die eine Annahme, eine Bejahung ist. Im Vertrauen auf Gott, der barmherzig ist.

Klingt auch in meinen Ohren billig. Ein wenig wie eine schlechte Ausrede.

Das ist es dennoch nicht. Die schlechte Lage verstehe ich wohl als Auswirkung falschen Handelns, aber nicht als eine Prüfung. Die schlechte Lage gehört zum Leben, ist ein Teil meines Lebenslaufs. Sie zu leugnen oder als „Zwischenstation“ abzutun, wäre sträflich. Das Leben ist nicht komfortabel; es wäre zu langweilig.

Wie ich handele, so geschieht es mir oft, dass ich auch besten Wissens und Gewissens „ins (offene) Messer“ laufe. Doch sehe ich hier nicht die Hand Gottes – und noch weniger die Hand des Teufels. Ich denke da ganz innerweltlich.

Verbrechen und Strafe

Der Mensch ist ein Zwitter. Er schwebt zwischen Gut und Böse, zwischen Gelingen und Versagen.

In diesem “Kampf”, wie es der Katechismus der katholischen Kirche sieht,[2] hat der Mensch sich zu bewähren. Für diese und in dieser Bewährungs-Probe ist dem Menschen von Gott Autonomie und Freiheit geschenkt worden.

Der Mensch als “Mängelwesen”[3] ist und bleibt zwar ein Abbild Gottes, verliert aber in der Sünde seine “Ähnlichkeit” mit Gott.[4] Während die katholische Lehrmeinung die Sünde noch als “Beleidigung Gottes” versteht,[5] muss in unserer modernen Zeit weit stärker betont werden, dass es sich dabei um eine Entfremdung von und mit sich selbst handelt. Eine Nicht-Identität mit sich selbst.[6]

Aus diesem Denken heraus muss gesagt werden, dass sich der Mensch durch (bewusst oder unbewusst) falsches Tun immer selbst schädigt – und seine Mitmenschen.

Es kann also nicht (länger?) behauptet werden, Gott wolle uns aufgrund unserer Fehler und Untaten übel.

Es kann ebenfalls nicht (länger?) behauptet werden, Gott prüfe uns oder führe uns in Versuchung.

Was uns in der Welt und in der Gegenwart passiert, ist (weitestgehend) auf unser Tun und Lassen zurückzuführen. Inzwischen glauben die meisten Zeitgenossen ja daran, dass selbst die Krankheiten nur Ergebnisse unseres Verhaltens, Essens etc. sind. Bei Rauchern zum Beispiel ist dies am deutlichsten.

Diese Feststellungen klären natürlich nicht (oder nur annähernd) die Frage nach dem “Warum”.

Das gute Leben

Ganz innerweltlich, ganz säkular sollte es in unserem Leben darum gehen, gut zu leben. Das Leben zu geniessen in all seiner Vielfalt, in all seiner Unterschiedlichkeit. In und mit all seinen Höhen und Tiefen. (Vielleicht gerade sogar und besonders in den Wellentälern.)

Das ist ganz offensichtlich ein Thema für Selbsthilfe-Gurus wie Dobelli.[7] Diese versuchen – ganz in der Leistungsgesellschaft verwurzelt und mit einem rationalen, ja fast wissenschaftlichen Anstrich – die Effizienz unseres Geniessens und Erlebens zu steigern. Diese Gurus spielen unserem modernen menschlichen Wunsch nach Beherrschbarkeit, Machbarkeit und Planbarkeit des guten Lebens in die Hände.

Es ist aber nicht das Thema dieses Essays. Gerade der Wille zur Machbarkeit und Beherrschbarkeit gilt einem Christen als Sünde. Dieser Wille stammt direkt aus der “Erbsünde”: Dem Wunsch, Gott ähnlich(er) zu sein, ja vielleicht gar Gott zu sein.[8]

Im Wissen um die eigene Freiheit und um die eigene Fehlerhaftigkeit ist es dem Menschen von einem barmherzigen Gott gegeben, sein Leben so gut wie möglich selbst (autonom) zu gestalten. Ob und wie Gott dieses Leben prüft oder prüfen wird, können wir nicht wissen. Wenn es ein letztes Gericht gibt, wie die drei monotheistischen Religionen glauben, wird die Prüfung dann stattfinden.

Aber wie Jesus selbst mehrfach gesagt hat: Bereits im Lauf des menschlichen Lebens erfahren wir Gutes; diejenigen, die bereits Gutes erfahren haben (wie die Reichen) werden das Gottesreich (ob weltlich oder himmlisch) anders erfahren als jene, die wenig Gutes erfahren haben.[9]

Da sind wir nun schon wieder bei der Endzeiterwartung gelandet…

Letztlich falle ich doch, jedes Mal, wenn ich über das gute Leben nachdenke, wieder auf den „Prediger“ zurück: „Es gibt kein Glück, es sei denn, der Mensch kann durch sein Tun Freude gewinnen.“ (Prediger 3, 22)

Das ist so einfach wie einleuchtend und – machbar.

[1] Vgl. https://www.tagesanzeiger.ch/leben/gesellschaft/Und-fuehre-uns-nicht-in-Versuchung/story/30278906, zuletzt abgerufen am 29.06.18.

[2]vgl. KKK 407-409.

[3] Ein Begriff geprägt von Arnold Gehlen, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A4ngelwesen, zuletzt abgerufen am 02.07.18.

[4] vgl. KKK 705.

[5] vlg. KKK 1850.

[6] “Sie (die Sünde) verletzt die Natur des Menschen und die menschliche Solidarität.” (KKK 1849)

[7] Dobelli, Ralf: Die Kunst des guten Lebens, 2017.

[8] Vgl. den Turmbau zu Babel (Gen 11,1-9)

[9] Vgl. Lk 6,24 (“Doch weh euch, ihr Reichen; ihr habt euren Trost schon empfangen.”)

Arbeit – Lohn und Leben (Teil 2)

Seit ich aber nun denken kann – und in Erinnerung an meine „Verkopfung“ muss ich ja fast mein Denken als mein Fühlen (und umgekehrt) bezeichnen -, habe ich eine aus weltlicher Sicht gefährliche Haltung der Arbeit gegenüber. 

Es ist dies schwierig auszudrücken. Vielleicht über meinen Vater, dessen Deontologie oder Arbeitsethos sehr wohl als durch und durch schweizerisch-typisch ist, fand eine Art Gegen-Bewegung in mir statt: Arbeit ist im tiefen Inneren entweder sinnlos und/oder nutzlos, erhält einen aber materiell am Leben, oder aber sinnhaft und/oder nützlich, kann jedoch eine materielle Erhaltung meist nicht gewährleisten.

Das hatte keine religiöse oder biblische Begründung, erhält es erst jetzt in der viel späteren Reflexion. Der „Wettlauf“, von dem Paulus immer wieder spricht (siehe z.B. auf WiBiLex das Stichwort „Wettkampf„), ist eben ein geistiger, aber doch vielleicht vermutlich in Werken zu messender Wettbewerb. 

Wenn ich versuche, den Ursprung dieser Gegen-Bewegung zu finden, komme ich sicher auf meine Bücherleidenschaft zurück, auf die Erkenntnis von und Begeisterung für eine frühe „république des lettres“ oder vielleicht sogar „république des lettrés“, also eine Gesellschaft der Gebildet-Geistigen. Schriftsteller waren eine Idole. Einige davon waren arm gewesen und/oder geblieben, während andere reich geworden waren mit ihren Werken. Ich bewunderte beide „Sorten“ von Autoren, in der Pubertät litt ich sehr viel mehr für die armen und verkannten Dichter, Rimbaud, Rousseau oder Verlaine, Baudelaire… 

Der „Wettlauf“, um den es dabei ging, war also (schon damals) ein geistiger, einer der Fantasie. Meine Berufswünsche waren, soweit ich mich erinnere, keine konkreten, nie wollte ich Astronaut oder Feuerwehrmann werden. Als 2. Klässler spielte ich in einem Umzug Michael Ende (wir stellten seine „Momo“ dar), trug einen Frack mit Zylinder. 

Nach dem Studium gab ich mich in die Arbeitswelt. Für rund 10 Jahre arbeitete ich, um zu (über) leben. Als begeisterungsfähiger Mensch hatt ich teilweise auch Freude an dieser Arbeit, jammerte aber immer allen vor, ich könne nicht schreiben, meine eigentliche „Arbeit“ und „Berufung“. 

Arbeit ist für mich daher seit frühester Jugend eine Besinnung, ein Nachdenken, vielleicht Theologisieren oder Philosophieren. Sie ist als solche „weltlich“ oder „auf dem Markt“ wert- und nutzlos, während andererseits die marktwirtschaftlich fruchtbare Arbeit in meinen Augen meist nutz- und wertlos, ja auf Verschwendung oder Abnutzung ausgerichtet ist. 

Dieser Haltung liegt keine Leibfeindlichkeit zugrunde. Doch es geht um Unabhängigkeit und Freiheit: das Werk tun, das ich will und (christlich gedacht) zu dem ich mich berufen weiss. Dass diese Haltung unter Umständen in die Armut führt, beschneidet jedoch wieder die so gewonnene Freiheit und Unabhängigkeit: in Armut kann man nicht frei sein, man begibt sich in andere, neue Abhängigkeiten und wird Sklave des Rappens oder besser: Rappendrehens. 

Oder anders gesagt: der Wettlauf ist mehr noch zu einem Wettlauf ums Überleben geworden, aber unter anderen Vorzeichen: ein Erlernen der harten Realität angesichts des Strebens nach einer Verwirklichung der Berufung. 

(Fortsetzung folgt – im nächsten Blogeintrag zum Thema setze ich mich näher mit Armut und Arbeit auseinander.) 

Arbeit – Lohn und Leben (Teil 1)

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Eine „Unberührbare“ oder (wie Gandhi es nannte) ein „Gotteskind“ beim Strassenfegen; die „Unberührbaren“ nennen sich selbst – „dalit“, die „Unterdrückten“…


Mein Vater hat 45 Jahre in der gleichen Firma gearbeitet, bis er mit 65 in Pension gegangen ist. Er hat sein ganzes Leben, obwohl in einer für Schweizer Verhältnisse grossen Stadt aufgewachsen, in einem Städtchen auf dem Land verbracht.
Seine Arbeitsweise hat mich als Kind mit Bewunderung und Erstaunen erfüllt – einerseits sicherlich, weil ich mir nicht vorstellen konnte, was er über 8 Stunden am Tag „auf der Arbeit“ wohl oder übel „anstellen“ konnte, aber auch, weil es ihm nicht wichtig schien und scheint, von sich und seiner Tätigkeit viel Aufhebens zu machen; und mir daher andererseits der Mangel an Begeisterung auffiel, mit der er sich auf den Weg zur Arbeit machte – ich mochte nicht immer einfache Tage in der Schule haben (Prüfungen und Konflikte), aber doch war die Schule mein Leben, mehr noch (wie ich später bei meinen eigenen Kindern erkennen konnte) – mein Privatleben.
Die Arbeit meines Vaters war Pflichterfüllung und Selbstdisziplinierung. Seine Arbeit war Mittel zum Zweck: sein Lohn hielt uns am Leben und ermöglichte uns und ihm Ausflüge und Ferien, während derer man „aufleben“ konnte.
Ich bewundere und bestaune diesen Pragmatismus auch heute noch. Und meine und seine Geschichte, das weiss ich, ist keine Seltenheit – ist die durchaus mitteleuropäische Vater-Sohn-Geschichte: viele meiner Bekannten und Freunde würden Ähnliches erzählen, manche leben sogar fast ein gleiches Arbeits-„Leben“…

Dies ist der erste Teil einer mehrteiligen Serie, in der ich mir (ausgehend von einer Diskussion in der Familie und mit Freunden, angestossen u.a. von einem Artikel in dem Schwestermagazin des Economist, 1843) theologische und ethische Gedanken stellen werde – alle zum Thema der Arbeit: in unserem Leben, als Teil und als Fremdkörper in unserem Leben, aber auch – über ihren Lohn und ihre Entlöhnung.